Für einen denkenden Menschen ist das Auferstehungs-Mysterium nicht mehr so einfach zu glauben wie das frühere Generationen bedenkenlos taten. Das eigenständige Denken hat sich im Menschen entwickelt. Zu Recht wollen wir verstehen. Wie also kann diese «Auferstehung von den Toten» verstanden werden? Um verstehen zu können, ist ein anderes, ein begreifendes Denken erforderlich. Ein Denken, das nicht nur auf das materiell Sicht- und Fassbare beschränkt ist, ein Denken, das auch den Geist einbezieht. Ein wachbewusstes, begreifendes Denken, wie wir es bei Nahtoderlebnissen, bei Begegnungen mit geistigen Wesen, Engeln, mit Christus selbst, erfahren ist notwendig. Es ist auch eine empfangende Denkweise die wir als Intuition und Inspiration kennen. Diese Denkweise erkennt, dass jeder Mensch, jedes Lebewesen von einer anderen Kraft, einer seelisch-geistigen bewegt wird, die still in uns wirkt.  

Um die Auferstehung Christi zu verstehen, müssen wir uns für dieses Denken öffnen. Denn es handelt sich nicht nur um ein physisch-körperliches Auferstehen, sondern auch um ein geistiges Ereignis, eine grosse Transformation. Rein materialistisch Denkende werden dieses Mysterium also nie verstehen können. Es wäre zu plump zu glauben, der gleiche Körper wäre auferstanden.

Die Menschheitsgeschichte erzählt uns, dass es vier Schritte brauchte, bis die Auferstehung verstanden werden konnte. Lange glaubten die Menschen, weil es eine Autorität gesagt hat, was einem Kinderglauben entspricht. Dann glaubten sie an Bilder. Dann begannen sie selbst in den Schriften zu lesen, sich zu informieren, sie studierten und reflektierten. Sie bildeten sich eine eigene Meinung. Bis nun der nächste neue, wesentliche Schritt für die jetzige Zeit folgte: die Menschen verbinden sich direkt mit dem Christus, indem sie sein Wesen ganz in sich aufnehmen, es «sprechen» lassen und selbst erfahren. Diese Selbsterfahrung führt zum wissenden und befreienden Glauben.   

Eine solche Verbindung ist wissenschaftlich weder quantifizierbar noch beweisbar. Es sind ganz reale individuelle Erfahrungen, die eine bodenständige Haltung erfordern und keine Illusionen oder Schöngeisterei zulassen. Ebenfalls ist ein gieriges wissen-wollen und darauf hinsteuern die sicherste Art eine Begegnung zu verhindern. Es geschieht im Sein und nicht im Machen und Erobern.

Ein wunderschönes Beispiel zum Verstehen der Auferstehung offeriert uns die Metamorphose der Raupe, die zum Schmetterling wird. Wir können nur beobachten wie unsichtbare Prozesse in der Raupe ablaufen: eines Tages hört sie auf zu fressen und sucht sich einen bestimmten Platz wo sie sich verpuppt. Eine ganze Weile scheint nichts zu geschehen. Im Innern löst sich aber die ganze Raupenstruktur auf und wird zu einem Brei, der in nichts an die Raupe erinnert. «Kein Stein bleibt auf dem andern…» heisst es in der Schrift. Eine komplette Neustrukturierung organisiert sich im Innen, von der wir im Aussen nichts wissen. Wenn sich dann die Puppe von innen zu bewegen beginnt und sich öffnet, erscheint vor unserem staunenden Auge ein Schmetterling. Sachte entfaltet er seine zarten Flügel und fliegt davon. Von einem Wesen, das kriechend ganz an die Erde, an die Materie gebunden war, metamorphosierte sich die Raupe zu einem fliegenden Wesen, das die Materie und die Schwerkraft überwunden hat. Es lebt zwischen Himmel und Erde, kennt beide Welten und verbindet sie. Ein komplett neues, nicht zu vergleichendes Wesen steht vor uns.

Auf diese Weise können wir auch die Auferstehung Jesu Christi betrachten. Im Laufe von drei Jahren wurde der Körper von Jesus in einem gewaltigen Transformationsprozess Zelle für Zelle vergeistigt, verchristlicht, gewandelt. Am Kreuz selbst vollendete sich diese Transformation vollständig im Tod. Selbst dieser musste verchristlicht werden, da er zum Menschsein gehört.

In der Stille des Grabes trat dann aus dem Leichnam der verwandelte Körper des auferstandenen Christus. So wie der Schmetterling aus der Verpuppung schlüpft und das Raupendasein überwunden hat, so hat Jesus Christus die Materie den menschlichen Körper vergeistigt und veredelt. Sein neuer Körper war noch so fein wie die Flügel des geschlüpften Schmetterlings, so durchsichtig, dass er nur hellsichtig wahrgenommen werden konnte/kann. Sein Wiedererscheinen wie es von verschiedenen Seiten immer wieder angekündigt wird, wird nicht mehr in einem physischen Körper sein, denn in diesem hat er bereits gelebt und gewirkt. Die Geschichte kann sich nicht wiederholen. Die neue Niederkunft ist im ätherischen Körper im Menschen selbst. Dort ist sein neues Wirkungsfeld. Dort begegnen wir ihm.

Irgendwann in ferner Zukunft wird es jetzt auch für uns Menschen möglich, dass wir einen solchen feinstofflichen durchchristeten Körper bewohnen.

Einen Körper der Freiheit, der Wahrheit und der allumfassenden, bedingungslosen Liebe.

Einerseits geht mit der Auferstehung eine Entwicklungsepoche zu Ende andererseits läutet sie den Beginn einer ganz neuen Entwicklung ein. So dürfen wir Leben für Leben, Schritt für Schritt immer mehr vom Christus-Impuls in uns selbst verwirklichen. Ein innerer unsichtbarer Transformationsprozess führt unwiderstehlich zu einem alles auflösenden Wandel. Wir sind auf dem Weg eine Schwelle zu übertreten. Christus sagte: „Wer sein Leben nicht verliert, gewinnt das Leben nicht“ und bei den Sufis heisst es: „Stirb, bevor du stirbst“.

Auch wir werden Schmetterlinge die Himmel und Erde, Geist und Materie als Einheit in uns selbst verbinden.

Was für ein Leuchtturm der Befreiung, der Liebe und der Hoffnung für Frieden ist dieses Auferstehungsfest in einer Welt voller Turbulenzen.

Lieben wir, so wie wir geliebt werden.